Grafschaft Durham

Die Grafschaft Durham
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Wilde Moorlandschaften, einsame Gehöfte im Penninischen Bergland (Pennines), Schlösser, eindrucksvolle Kathedralen und Kirchen, eine Vielzahl attraktiver Naherholungsgebiete - die Grafschaft Durham hat einiges zu bieten. Wer Ruhe sucht, der findet sie hier auch. Und trotzdem liegt Durham nicht abseits jeglichen Trubels und großstädtischen Flairs. In nur wenigen Fahrstunden erreicht man die wichtigsten Zentren Englands, mit dem Hochgeschwindigkeitszug sind es nur drei Stunden bis London. Traditionell ist Durham an die bedeutendsten Handelswege der britischen Insel angeschlossen. So führen auch die Hauptverkehrsstraßen nach Schottland durch die Grafschaft. Auch die unmittelbaren Nachbarn Durhams locken mit reizvollen Landschaften. Im Süden liegt Yorkshire mit seinen berühmten pittoresken Tälern, im Westen bietet sich der Lake District für einen Ausflug an, und nur fünfzig Kilometer weiter nördlich beginnt Schottland. Die Grafschaft Durham, ein Teil Northumbrias, der nördlichsten Region Englands, ist auch reich an Geschichte. Die Römer, die Angelsachsen, die Wikinger, die Normannen - alle hinterließen hier ihre Spuren. Häufig allerdings war Durham Gebietsreformen unterworfen, wie beispielsweise 1974, als die Grafschaft in ihrer Gesamtheit mehr nach Süden "wanderte" und dadurch auch ländlicheren Charakter erhielt. Viele geschichtsträchtige Orte, die ihren Einfluß auf Durham hatten, liegen heute außerhalb der County-Grenzen. Derzeit umfaßt die Grafschaft etwa 2500 Quadratkilometer, die sich etwas weniger als 600.000 Einwohner teilen.
Die größten Städte neben dem Verwaltungssitz Durham (40.000 Einwohner) sind Darlington (86.000 Einwohner), Consett und Peterlee (je 31.000 Einwohner), Bishop Auckland und Newton Aycliffe (je 24.000 Einwohner). Ein kleiner Küstenstreifen südlich von Newcastle blieb Durham auch noch nach der Gebietsreform. Die eindrucksvollste Stadt ist allerdings Durham selbst mit seiner wuchtigen Kathedrale und seinem Schloß, die vom Flüßchen Wear in einem langgezogenen Halboval eingerahmt werden.


Geschichte

Seit Tausenden von Jahren ist das Gebiet zwischen den Flüssen Tyne und Tees, die beide lange Zeit die natürlichen Grenzen der Grafschaft Durham bildeten, besiedelt. Die ersten weitreichenden "Narben" hinterließen die Römer, die 43 nach Christus in Britannien landeten. Zu dieser Zeit gehörte Durham zum keltischen Machtbereich der Briganten. Über Jahrzehnte hinweg waren die Römer am Norden der Insel nicht interessiert. Erst vierzig Jahre nach ihrer Landung orientierten sie sich nordwärts. Eine Vielzahl römischer Forts in der heutigen Grafschaft Durham sind Zeugen dieser Expansionspolitik. Die Christianisierung, der Konflikt zwischen römischer und keltischer Tradition und die Überfälle der Wikinger bestimmten das Leben im Nordosten Englands während der nächsten Jahrhunderte. In diese Zeit fallen auch die Ursprünge des "County of Durham". Die Urväter waren die Anhänger des ehemaligen Bischofs von Lindisfarne, Cuthbert (gestorben 687), die sich nach einer längeren Flucht in Durham niederließen und von den skandinavischen Herrschern die Rechte über die Ländereien zwischen Tees und Tyne erhielten. Der friedlichen Ruhe setzte dann die normannische Invasion (1066) ein Ende. Nachdem William der Eroberer die Aufstände im Norden Englands niedergeschlagen hatte, stieg mit seiner Unterstützung und der Hilfe seiner Nachfolger die Macht der Bischöfe von Durham. Einer dieser Bischöfe begann 1093 mit dem Bau der einzigartigen Kathedrale von Durham, die auch heute noch weithin sichtbar die Stadt überragt. Das Mittelalter war von Unruhen gekennzeichnet, die im "War of the Roses" (Rosenkriege, 1455-85) gipfelten. Rund einhundert Jahre später versammelten sich dann im Rittersaal des Raby Castle, südwestlich von Durham City, 700 Ritter, um sich auf der Seite von Maria Stuart gegen Elisabeth I. zu erheben, was sich aber recht bald als erfolgloses Unterfangen herausstellte. In den folgenden Jahrhunderten spielten der Handel und die wirtschaftliche Nutzung der Bodenschätze in Durham eine immer größere Rolle.
Als Folge der Reformation sank der Einfluß der Kirche im 17. Jahrhundert zusehends. Die Familien der Großgrundbesitzer bestimmten nun mehr und mehr das politische Leben. Als Ausdruck ihres gestiegenen Lebensstandards entstanden die eindrucksvollen Herrschaftshäuser Biddick Hall, Elemore Hall, Croxdale Hall und St. Helen Hall. Neben der Bleigewinnung nahm der Abbau der Kohle in der Grafschaft Durham zu, und mit Beginn der industriellen Revolution war das Land kaum wiederzuerkennen. Die Fördertürme und Schornsteine der zahllosen Kohlenminen überzogen das Land, die Stahlindustrie und der Schiffsbau gewannen immer mehr an Bedeutung. Das Gebiet zwischen Tees und Tyne erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung ungeheuren Ausmaßes, der allerdings auch soziale Veränderungen und Probleme mit sich brachte, die sich heute mit teils umgekehrten Vorzeichen fortsetzen. Das Geld, das man im Bergbau und in den anderen Industriezweigen verdienen konnte, lockte im 19. Jahrhundert viele Menschen in den Norden Englands. Es entstanden große Arbeitersiedlungen. In diese Zeit fallen auch die Gründungen der zahlreichen Gewerkschaften (ihr großes jährliches Treffen ist auch heute noch die Durham Miners' Gala). In den vergangenen Jahrzehnten allerdings ging der Bergbau wie in vielen Regionen Europas darnieder. Die letzte Zeche der Grafschaft wurde im Mai 1993 geschlossen. In den Vordergrund rückten wieder die Landwirtschaft wie auch moderne Industrien und nicht zuletzt der Tourismus.


Durham City und Umgebung

Einer Vision verdankt Durham City eine der schönsten und ältesten normannischen Kathedralen Europas. Auf ihrer Flucht vor den Wikingern legten die Mönche des Klosters Lindisfarne den Sarg des Heiligen Cuthbert auf der Anhöhe nieder, die ihnen eine Erscheinung wies - so die Legende. Sie errichteten dort 1017 auf dem ôhill islandô eine steinerne Kathedrale, bekannt als White Church, in der sie auch den Schrein des Heiligen Cuthbert aufbewahrten. Die hatte allerdings nur bis 1092 Bestand. Der normannische Bischof William de St. Carileph ließ das angelsächsische Relikt einreißen, um 1093 den Grundstein für die heutige Kathedrale zu legen. Nach ihrer Fertigstellung vierzig Jahre später wurde sie bald zu einer der bedeutendsten Pilgerstätten Englands. Die Fürst-Bischöfe, die in Durham ihren Sitz hatten, besaßen bis ins 16. Jahrhundert eine große politische Macht und Unabhängigkeit. Der erste Eindruck, der sich heute beim Besuch der Kathedrale aufdrängt, ist von der gewaltigen Größe und Strenge des hohen Kirchenschiffs und den wuchtigen gemusterten normannischen Säulen geprägt. Die Spitzbogen über dem Kirchenschiff sind die ersten ihrer Art in der englischen Architektur-Geschichte. Auch die gerippten Wölbungen des Daches findet man auf der britischen Insel zum ersten Mal in Durham. Am Westende der Kathedrale liegt die Galilee Chapel mit dem Grab des Beda Venerabilis (673 - 735), eines wichtigen Gelehrten seiner Zeit, der die berühmte Kirchengeschichte Englands ôHistoria ecclesiastica gentis Anglorumô schrieb.
Der Hauptsitz der Fürst-Bischöfe aber war das Schloß, das zusammen mit der Kathedrale das Stadtbild Durhams bestimmt. Die ältesten Teile des Schlosses, das heute hauptsächlich von der Universität Durham als Studentenwohnheim genutzt wird, stammen aus dem 11. Jahrhundert. Dies sind die kleine normannische Krypta aus dem Jahre 1072 und der Torbogen der Turnstall Gallery, der ursprünglich als Haupteingang zur Great Norman Hall diente.
Von Interesse in Durham City sind außerdem das Old Fulling Mill Museum, das die Geschichte der Stadt illustriert, und das Durham University Oriental Museum, das eine großartige Kollektion orientalischer Kunst von internationaler Bedeutung aufweist. Auch einen ausgiebigen Bummel durch die Altstadt sollte man sich nicht entgehen lassen.

Doch nicht nur Durham City hat geschichtliche Kostbarkeiten zu bieten, auch in der näheren Umgebung, meist nur wenige Fahrminuten entfernt, findet man eine Vielzahl lohnenswerter Ausflugsziele. Neben den landschaftlichen Attraktionen wie den Pennines, dem Wear-Tal, den Durham Dales und der Nordsee-Küste, sollte man nicht versäumen, die weiteren Geschichts- und Kulturzentren der Grafschaft Durham zu besuchen:
Beamish, ein Freiluft-Museum, das das Leben im Norden Englands um die Jahrhundertwende zeigt; Bishop Auckland, Bischofssitz mit Palast aus dem 12. Jahrhundert und einem bemerkenswerten gotischen Kreuzgang;
Bowes Museum, ein großes Schloß in französischem Stil, das eine bedeutende Kunstausstellung mit Gemälden, Möbeln, Keramik und Textilien beherbergt;
Causey Arch, die älteste Eisenbahnbrücke der Welt;
Darlington, mit dem North Road Station Museum, in dem man George Stephensons Dampfmaschine "Locomotion No. lô besichtigen kann, die 1825 mit Passagieren und Kohlewaggons von Darlington nach Stockton unterwegs war;
Killhope, eine Mühle, die zur Bleiförderung im 18. und 19. Jahrhundert diente;
Raby Castle, ein mittelalterliches Schloß mit Original-Möbeln und alten Gemälden;
Nördlich der Grafschaft vor der Küste das ehemalige Kloster Lindisfarne. Auf dem Weg dorthin liegen der römische Hadrian's Wall und die beeindruckenden Schlösser Dunstanburgh Castle und Bamburgh Castle.




© 1989
Universitätsstadt Tübingen - Kulturamt
Text: Veit Müller, Tübingen
Fotos: Veit Müller, und Durham County Council Planning Department


Durham



Durham Castle, heute als College genutzt, und Durham Cathedral



Bild links: Silver Street in Durham
Bild rechts:South Baily in Durham




Raby Castle, mittelalterliches Schloß



High Force, Wasserfall des River Tees



Hadrian's Wall, erbaut unter dem römischen Kaiser Hadrian